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Die Krise trifft nicht alle gleich… Wie lebst du mit der Krise?

Das Team des Teilprojekts 'Perspektive Vielfalt SH' im IQ Netzwerk Schleswig-Holstein (Projektträger: Arbeit und Leben Schleswig-Holstein e. V.) hat für diesen Blog einen differenzierten Blick auf soziale Ungleichheiten in der Corona-Krise geworfen....

Bild: opendoodles.com

“Die Corona-Krise dauert an, und damit ihre Belastungen, an denen einige schwerer zu tragen haben als andere. Die Corona-Pandemie führt uns soziale Ungleichheiten und Schieflagen besonders drastisch vor Augen, vor allem im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherheit, die Wohnsituation, die Möglichkeit, Kinder zu Hause zu unterrichten und auf bestimmte rassistische Gefährdungspotenziale. Zur Lage der Migrant*innen gibt es im letzten Quartal 2020 schon Daten, die zeigen, dass sie oft, aber nicht nur qua ihrer sozioökonomischen Lage besonders von der Krise betroffen sind. DIE Migrant*innen sind allerdings keineswegs eine homogene Gruppe. Daher: Nachlesen lohnt! Manche Daten ermöglichen einen Blick auf z. T. recht deutliche Unterschiede – zwischen verschiedenen Migrant*innengruppen sowie zwischen Bundesländern – und verdeutlichen die Vielfalt der Lebenslagen, die sich hinter dieser Bezeichnung verbergen.

 

Kurzarbeit und Jobverluste…

Auf Homeoffice ausweichen? Engpässe überstehen? Das ging bzw. geht nicht überall, und es ist besonders in Branchen schwierig, in denen viele Migrant*innen arbeiten: z. B. in der Gastronomie, dem Hotelwesen, der Zeitarbeit oder dem verarbeitenden Sektor (1). Diese Branchen gehören auch zu denen, die in der Krise in besonderem Maße von Kurzarbeit und Jobverlusten betroffen waren/sind (2). Generell hat mit Corona die Erwerbslosigkeit zugenommen und dabei hängt das Risiko des Jobverlustes auch an der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Geflüchtete Menschen, die häufig erst seit vergleichsweise Kurzem arbeiten, sind besonders stark betroffen: Bei aus Kriegs- und Krisengebieten eingewanderten Menschen stieg die Arbeitslosigkeit schon im April und Mai 2020 um 5,1 %, während sie bei den Ausländer*innen insgesamt um 4 % und bei Menschen mit deutschem Pass im Vergleich nur um 1 % stieg (3). Wo auch die Aufenthaltsperspektive am Job bzw. an der Sicherung des Lebensunterhaltes hängt, kommt möglicherweise eine weitere Sorge hinzu, selbst wenn hier teilweise Corona-bedingte Erleichterungen in Kraft getreten sind (4).

 

Wohnbedingungen beim Lockdown oder bei Quarantäne…

Einkommen von Migrant*innen sind im Schnitt deutlich niedriger als andere. 30 % der Migrant*innen (12 % der Nichtmigrant*innen) verfügen über ein Einkommen, das unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt (60% des mittleren Einkommens und damit im Jahr 2018 bei 1.035 Euro) (5). Also verfügen Migrant*innen im Durchschnitt über weniger finanzielle Mittel und können sich folglich nur weniger guten Wohnraum leisten. Migrantische Familien mit Kindern haben im Durchschnitt weniger Quadratmeter (2014: 8 qm) pro Familienmitglied zur Verfügung (6). In 61 % der migrantischen Haushalte mit Kindern unter 16 Jahren hat jedes Haushaltsmitglied ein eigenes Zimmer. Schaut man auf den Durchschnitt aller in Deutschland lebenden Familien sind es 81 %. Zwei Drittel aller Familien mit Kindern unter 16 Jahren haben einen Garten oder können einen mitbenutzen, aber nur die Hälfte aller migrantischen Familien haben diese Möglichkeiten (7).

Viele geflüchtete Menschen leben in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, Ende 2018 waren es ca. 200.000 deutschlandweit. Beide Wohnformen gewähren wenig Wohnraum pro Person, wenig Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten, und sind während der Krise zum Teil von rechtlich und psychosozial extrem kritisch zu bewertenden Kollektivquarantänen betroffen (8).

 

Homeschooling?

Wer hat die Ressourcen, sich um’s Homeschooling zu kümmern? (Wo) Ist Raum dafür? Nicht alle Kinder haben zum Beispiel ein eigenes Zimmer, um ungestört lernen zu können. 86 % aller zwölfjährigen Kinder haben so einen Raum, in migrantischen Haushalten sind das lediglich 68 %. Dazu kommt, dass migrantische Haushalte weniger gut mit Lernsoftware und schulrelevanten Büchern versorgt sind und dass nur jedes dritte Kind einen eigenen Computer besitzt, in nichtmigrantischen Haushalten jedes zweite (9). Auch dass manche Eltern bzw. Betreuungspersonen selbst Deutsch lernen, kann für manche migrantische Familien das Homeschooling erschweren.

 

Rassistische Anfeindungen

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind viele Menschen im Zusammenhang mit (vermeintlicher) asiatischer Herkunft Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Die Antidiskriminierungsstelle berichtete z. B. von Fällen, in denen Menschen „Corona“ hinterhergerufen wurde, in denen sie bedroht oder beschimpft wurden oder von der Polizei in öffentlichen Verkehrsmitteln rassistische Kontrollen über sich ergehen lassen mussten (10). Dazu kommt mitunter die offene Unterstellung, von ihnen würde eine besondere Infektionsgefahr ausgehen (11).

Das Virus kennt keine Unterschiede, so heißt es. Das stimmt: Es sucht sich nicht nur bestimmte Menschen aus. Aber den bestmöglichen Infektionsschutz können sich nicht alle leisten, und die wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen sind durchaus ungleich und ungerecht verteilt. Hier zeigt sich, dass Migrant*innen – insbesondere Ausländer*innen und geflüchtete Menschen – in vielen Fällen aufgrund ihrer ökonomischen Situation besonders betroffen sind.

Autorinnen: das Team des Teilprojekts ‘Perspektive Vielfalt SH’ im IQ Netzwerk Schleswig-Holstein, Projektträger: Arbeit und Leben Schleswig-Holstein e. V.

 

Quellen:

1)      Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berichte: Analyse Arbeitsmarkt, Arbeitsmarkt für Ausländer, Mai 2019: Beschäftigung von Ausländern nach Wirtschaftszweigen, Online-Zugriff unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201905/analyse/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender/analyse-d-arbeitsmarkt-auslaender-d-0-201905-pdf.pdf?__blob=publicationFile

2)      Statistik der Bundesagentur für Arbeit; Tabellen, Kurzarbeit – angezeigte Kurzarbeit, Nürnberg, August 2020, Angezeigte Kurzarbeit nach Branchen Jan bis Aug. 2020, Online-Zugriff unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202008/iiia7/kurzarbeit/kurzarbeit-d-0-202008-xlsx.xlsx?__blob=publicationFile&v=1

Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung, Berichte: Arbeitsmarkt kompakt – Auswirkungen der Corona-Krise, Nürnberg, August 2020: Jobverluste, Online-Zugriff unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202008/arbeitsmarktberichte/am-kompakt-corona/am-kompakt-corona-d-0-202008-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3

3)      Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, IAB-Zuwanderungsmonitor, Nürnberg, August 2020, Online-Zugriff unter: http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Zuwanderungsmonitor_2008.pdf

4)      Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V.,  Arbeitshilfe zu Corona und Aufenthalt, Münster, 2020 (mehrfach aktualisiert), Online-Zugriff unter: http://ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Corona-Arbeitshilfe_27.5.2020.pdf

5)        Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister/Senatorinnen und Senatoren (IntMK) der Länder, Fünfter Bericht zum Integrationsmonitoring der Länder; Bericht 2019, Berichtsjahre 2015– 2017, April 2019, Online-Zugriff unter: https://www.integrationsmonitoring-laender.de/sites/default/files/integrationsbericht_2019_n2.pdf

6)      Institut der deutschen Wirtschaft: Häusliches Umfeld in der Krise: Ein Teil der Kinder braucht mehr Unterstützung, IW-Report 15/2020, Köln, April 2020. Online-Zugriff unter: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Report/PDF/2020/IW-Report_2020_Haeusliche_Lebenswelten_Kinder.pdf

7)      siehe 6)

8)      Kompetenznetz Public Health COVID‐19, SARS‐CoV‐2 in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete, Epidemiologische und normativ‐rechtliche Aspekte, Mai 2020, Online-Zugriff unter: https://www.public-health-covid19.de/images/2020/Ergebnisse/FactSheet_PHNetwork-Covid19_Aufnahmeeinrichtungen_v1_inkl_ANNEX.pdf

9)      siehe 6)

10)   Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Mai 2020): Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise, Berlin, Mai 2020, Online-Zugriff unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/Dokumente_ohne_anzeige_in_Publikationen/20200504_Infopapier_zu_Coronakrise.pdf?__blob=publicationFile&v=2

11)   Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH, Lager in Angst – Geflüchtete in Sammelunterkünften sind dem Virus und Anfeindungen von außen schutzlos ausgesetzt, Online, April 2020, Online-Zugriff unter: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1135198.corona-in-gefluechtetenunterkuenften-lager-in-angst.html


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